"Blick aus dem Wohnzimmerfenster der damaligen elterlichen Dienstwohnung im Gebäude des Hofer Hauptbahnhofes, zweiter Stock. Einfahrt des (vermutlich) vierten Flüchtlingszuges aus Prag. Am Bahnsteig herrscht unter dem zahlreichen Hilfspersonal von Bayrischem Roten Kreuz (BRK), Bahnpolizei, Polizei und Bundesgrenzschutz verhaltene Ruhe. Auch die neugierigen Hofer Bürger sind eher ruhig. Aus dem soeben eingefahrenen Zug dagegen brandet wie bei einem Fußballtor ein Gejohle und der Ruf 'Freiheit! Freiheit!' auf.
Versorgung der Flüchtlinge am Bahnsteig 1, Gleis 2, Hof Hbf. Auf den eiligst aufgestellten Bierzelt-Garnituren kredenzt man Suppen und Eintopf vom BRK. Eine erste Bekanntschaft mit westlichen Nahrungsmittelgroßkonzernen erfolgt: Es liegen Schokoriegel in den Papptellern …
Nach der ersten Euphorie über die gelungene Flucht legt sich die Aufregung. Jetzt gilt es für die Flüchtlinge, ihre noch ungewisse Lage zu klären. Wohin? Wie weiter? Flüchtlinge und manch westliche Verwandtschaft suchen per Pappschild nach Personen. Es gibt auch einige wenige erste direkte Hilfsangebote, wie zum Beispiel Wohnung und Arbeit. Einige Flüchtlinge leben bis heute sehr zufrieden in Hof. Für die, die weiterreisen wollten, war die nächste Station zunächst einmal ein Aufnahmelager.
Der Blick aus dem zweiten Stock hatte natürlich eine enorme Exklusivität. Jedoch fühlte ich mich selbst nicht wohl dabei, als ich den Fotoapparat zückte. Denn immer wieder wurde ich da unten von den Menschen bemerkt. War ich Stasi?"
Markus Lohneisen (Hof)