"Wir erinnern uns, dass wir vom historischen Mauerfall 1989 richtig 'aufgekratzt' waren und im darauffolgenden Jahr alle unsere Freizeitaktivitäten den nahezu täglichen Veränderungen der Mauer unterordneten. Fast jedes Wochenende radelten wir zum ehemaligen Grenzstreifen oder nach West-Berlin, um uns umzuschauen.
Am 1. Mai 1990 brauchten wir nicht mehr an der früher obligatorischen 'sozialistischen Maidemonstration' teilzunehmen und entschieden uns stattdessen für einen Ausflug in die Gegend zwischen Babelsberg und Steinstücken. Wir hatten vorher nur ab und zu im Westberliner Rundfunk etwas über diese Westberliner Exklave gehört. Am 13. August 1961 waren das Potsdamer Wohngebiet Babelsberg und das zum Bezirk Zehlendorf gehörende Steinstücken durch den Mauerbau getrennt worden. Die Rote-Kreuz-Straße, ein Postenweg, konnte von der Bevölkerung wegen der Mauern zu beiden Seiten nicht mehr benutzt werden. Als die Mauer 1989 fiel, kannten sich Verwandte, Freunde und Nachbarn von der gegenüberliegenden Straßenseite kaum noch. Radtouristen aus Ost und West erkundeten im Frühjahr 1990 die Situation.
Die DDR-Landkarten zeigten West-Berlin nur als weißen Fleck. So waren wir also sehr gespannt, was uns erwarten würde, und nahmen viele Fotos auf. Wir 'schlichen' durch Steinstücken, interessierten uns für den Hubschrauberlandeplatz, sahen aber keine Menschen. Anders am ehemaligen Grenzstreifen: Dort kamen wir mit vielen Gleichgesinnten aus Ost und West ins Gespräch, tauschten unsere Beobachtungen und Hoffnungen aus. Wir als DDR-Bürger waren noch recht unsicher und ängstlich, was uns erwarten würde. Aber schon ein Jahr später lernten wir an gleicher Stelle den Vertreter einer bekannten Bausparkasse kennen, ließen uns zu einem Bausparvertrag überreden und leben seit 1998 glücklich in unserem eigenen kleinen Häuschen – der Grenzstreifen wurde mit Einfamilienhäusern bebaut."
Christine Krüger (Potsdam)